Moto Guzzi The Clan
REISEBERICHTE

Auf einer 1975-er Moto Guzzi V7 von Amsterdam nach Tokio: Die Reise des Paul Van Hooff

„Ich hab einen Katzenjammer – from here to Tokyo“.

Diese in Holland beliebte Redewendung beschreibt ziemlich genau die Entfernung aber auch die mentalen Unterschiede zwischen Japan und Holland. Niemand hat das wörtlicher genommen als Paul Van Hooff, der die Strecke von Amsterdams bis Tokio auf einer 1975-er Moto Guzzi V7 gefahren ist.

Um es ganz klar zu sagen: Paul ist tatsächlich den weiten Weg bis Tokio gefahren. Am 28. August 2017 kam er dort an. Das war einen Monat nachdem wir miteinander über Skype gesprochen hatten, was uns übrigens zu diesem Artikel inspiriert hat, und gut zehn Monate nach seiner Abreise aus dem Land der Windmühlen.

Paul wurde 1964 geboren. In Holland hatte er als Reporter und Motorradjournalist gearbeitet. Seine große Leidenschaft galt schon immer der Marke Moto Guzzi. Er träumte davon, um die Welt zu reisen und damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dieses Vorhaben wurde im Mai 2005 Realität. Mit 12.000 Euro in der Tasche startete Paul auf seiner Moto Guzzi V7, die er liebevoll „Guus“ nennt, auf eine Tour, die am Ende drei Jahre lang dauerte. Sie führte ihn entlang der Pan-Amerikana, von Alaska bis Argentinien. Am Ende seiner Tour gründete Paul in Bolivien eine Familie. Seitdem unternahm er eine Reihe weiterer Reisen. Seine Erlebnisse beschreibt Paul Van Hooff in dem 2015 veröffentlichten Buch „Man in het Zadel“. Das Buch trägt den Untertitel „60-tausend Kilometer Freiheit“ und ist auch bald auf Englisch verfügbar.

Im Rahmen seiner letzten Reise hat Paul eine Crowdfunding Aktion – eine besondere Art von Finanzierung – gestartet, damit er ein neues Buch veröffentlichen kann, dort will er über die Abenteuer seiner jüngsten Reise ins Land der aufgehenden Sonne schreiben. Der Titel, soviel hat er verraten, könnte „From here to Tokyo“ lauten. „Das wird ein tolles Buch“, meinte er: „Zweimal bin ich fast gestorben, dabei bin ich noch nicht einmal in Japan angekommen.

Als wir mit Paul sprechen, ist er gerade in einer Jugendherberge in Ulan-Udé, einem kleinen russischen Dorf an der Grenze zur Mongolei. Bis dorthin hatte er zwölf Länder durchreist: Holland, Deutschland, die Schweiz, Italien – mit Stopps in Mandello del Lario und Tavullia -, Kroatien, Montenegro, Serbien, Bulgarien, die Türkei, Georgien, Armenien und den Iran. Bis Wladiwostok lagen noch einmal 4.000 Kilometer vor ihm. Von dort will Paul mit seiner treuen Guus per Fähre nach Japan übersetzen.

Wir wollten von ihm wissen, wie viele Kilometer er seit seiner Abreise aus Amsterdam abgespult hat und wie der aktuelle Tachostand seiner V7 lautet. Da lacht er und sagte: „Das sei schwer zu sagen, denn Guus’ Tacho funktioniert seit Jahren nicht mehr. Genau wie ein paar andere mehr oder weniger wichtige Teile seiner Guzzi. Irgendwie müsste Guus um die 175.000 Kilometer auf der Uhr haben, egal, die Guus ist nicht zu stoppen“. OK, so sind die beiden halt auf ihre besondere Art und Weise unterwegs.

Paul kommen fast die Tränen, als wir ihn bitten, etwas mehr über sein Motorrad zu verraten: „Ich habe schon viele Motorräder besessen und auch im Rahmen meiner Arbeit gefahren, aber meine V7 ist die Beste auf der Welt. Sie begleitet mich seit 17 Jahren. Sie ist wie eine gute Freundin. Sie ist ein Teil von mir. In Serbien kam ich in eine Schneesturm, saß dort bei Temperaturen von minus 30 Grad zwei Wochen lang in einem Gasthaus fest. Guus stand draußen im Schnee; es dauerte nur ein paar Sekunden, bis ihr Motor wieder ansprang.“

Paul verrät uns auch, dass er nach seiner ersten Tour Angebote anderer Motorradhersteller hatte, um deren Motorräder für seine Reisen zu nehmen. Darüber denke er nicht einmal nach. „Meine V7 ist alt, leicht zu reparieren und hat einen großen Motor, der hat zwar nicht so viel Leistung, dafür lässt er mich nie im Stich. Was aber viel wichtiger ist. Wenn du mit der Guzzi unterwegs bist, macht das immer den Eindruck, dass du ein guter und netter Kerl bist. Wildfremde Leute sprechen dich an, laden dich zum Essen zu sich nach Hause und sogar zum Übernachten ein.“

Es ist Pauls Geheimnis und Teil seiner Philosophie, nie wie ein Tourist aufzutreten, sondern wie ein Reisender, der allem, was ihm unterwegs begegnet, aufgeschlossen gegenübertritt. Es ist eine sehr ursprünglich Denkweise und physische Veranlagung, das Unerwartete zu erwarten, das dich, je mehr Kilometer man zurücklegt, mit einzigartigen und unerwarteten Erlebnissen belohnt, Zugegebenermaßen – das kann manchmal auch gefährlich enden.

„Auf dem Weg von Armenien in den Iran hatte ich tage-, sogar wochenlang Temperaturen um die minus 25 Grad. Ich habe die Trommelbremsen von Guus nicht mehr benutzt, weil ich mir Sorgen machte, das vereiste Metall könnte reißen. In Armenien lief ein Rudel Wölfe um mein Zelt während ich schlief.“

In Russland feierten die Zeitungen Paul van Hooff als Held. Paul hatte einem jungen Mann, der in einen schlimmen Verkehrsunfall verwickelt war, das Leben gerettet. Eine Geschichte, die, so Paul, ihn eine Menge über die zuweilen abartigen Verkehrsverhältnisse in Russland gelehrt hat.

„In Wolgograd habe ich an einer Tankstelle nach dem Weg gefragt. Es stellte sich heraus, dass der Typ der Besitzer der Tankstelle war. Er sagte zu mir – Du gehst nirgendwohin, du bleibst hier und wir trinken was zusammen. Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist, dass ich bis etwa drei Uhr morgens in einer Werkstatt mit vielen Leuten war, wo lauter Sportwagen rumstanden, und ich glaubte Wodka zu trinken. Erst später merkte ich, dass es kein Wodka, sondern 75 prozentiger Alkohol war. Die Leute in der Werkstatt gehörten alle zur russischen Mafia. Aufgewacht bin ich auf einer Intensivstation mit 34 Grad Körpertemperatur – verflixt nahe am Tod. Ich war im Krankenhaus. Ich hatte weder Papiere noch Geld, trotzdem behandelte man mich wie einen König. Die Polizei und die Mitarbeiter des Krankenhauses halfen mir alle. Ich musste für die medizinische Versorgung nicht mal etwas zu bezahlen. Am Ende gaben sie mir sogar noch Geld für Sprit. Ich bin nach wie vor für alles und jeden offen – nur bei Wodka sage ich: Nein.“

Paul rechnet einfach damit, dass die Menschen, die man unterwegs trifft, immer wieder für neue Überraschungen sorgen können. Manchmal begleiten sie dich einen Stück auf deinem Weg. Man tauscht seine Geschichten aus. Manchmal sind es Ortsansässige, die dich zu sich nach Hause einladen und dich ihrer Familie vorstellen. Ganz so, als hätte man schon immer dazugehört. Ein Beispiel dafür ist die Unterschrift von Graziano Rossi auf der Verkleidung von Guus. Sie ist eine Erinnerung an einen nicht eingeplanten Aufenthalt im italienischen Tavullia. Valentino war nicht zu Hause, dafür verbrachte Vater Graziano mit Paul den Abend bei Gesprächen über dessen Geschichte und seine Tour.

Man muss nicht bange sein. Wenn man Menschen respektvoll begegnet, wird man wie ein König behandelt.“

Viele Leute glauben, dass Reisen wie diese zu anstrengend sind. Das ist nur eine Ausrede, um es nicht zu tun. Weil man lieber zuhause in seiner Bequemlichkeit verharrt. Als ich zu meiner ersten Tour aufgebrochen bin, war ich an einem Punkt, an dem ich die ständigen Termine, die ganze tägliche Routine nicht mehr ertragen konnte. Jeder kann das so machen. Eigentlich ist es ganz einfach, man muss es nur wirklich wollen.

Am Ende unseres Gesprächs fragten wir Paul, ob er für die Mitglieder unserer Community The Clan eine Botschaft hätte. Schließlich teilen wir alle seine Leidenschaft für die Marke Moto Guzzi, für Reisen und Abenteuer:

Jemand, der sich entschieden hat eine Moto Guzzi zu fahren, hat sich entschieden, sich einen Traum zu erfüllen. Einen Traum, der die lange Geschichte des Adlers von Mandello, dem Wappen von Moto Guzzi, verkörpert. Mein Traum war, meinen Lebensunterhalt mit Schreiben und Reisen zu verdienen – jetzt lebe ich diesen Traum …“.

Jetzt haben wir eine Frage an euch: „Lebt auch ihr euren Traum?“

Während wir auf Pauls neues Buch, das im nächsten Jahr herauskommt, warten, könnt ihr unter – http://guzzigalore.nl/ oder auf dem Videokanal https://vimeo.com/user60129016 – jetzt schon mehr über die Abenteuer von Paul und Guus erfahren. Der schnellste Weg, sich über das aktuelle Treiben der beiden zu informieren, ist ein Besuch auf Pauls Facebook Seite: https://www.facebook.com/paul.v.Hooff

Möchten Sie den ganzen Artikel lesen?